Wenn das Alte nicht mehr passt – und das Neue noch keinen Namen hat
Ein Text über Übergänge, leises Loslassen und das Vertrauen ins Noch-nicht.
Es beginnt oft leise.
- Nicht mit einem großen Knall, sondern mit einem inneren Ziehen.
- Ein Unwohlsein, das du nicht sofort benennen kannst.
- Ein Gedanke, der sich immer öfter meldet, wenn du in gewohnte Routinen zurückkehrst.
- Ein Gefühl, dass etwas nicht mehr stimmig ist – obwohl es doch „funktioniert“.
Vielleicht betrifft es dein berufliches Umfeld. Vielleicht ein Projekt, das dich früher begeistert hat. Vielleicht deine Rolle in einer Beziehung, in der Familie, im Team.
Oder vielleicht ist es einfach nur ein Bild von dir selbst, das du jahrelang getragen hast – und das dir plötzlich zu eng geworden ist.
„Es passt nicht mehr“ – ein unsichtbarer Wendepunkt
Manchmal braucht es Mut, das überhaupt auszusprechen:
„Es passt nicht mehr.“
Denn sobald du das Alte in Frage stellst, öffnet sich ein Raum – ein Raum, in dem das Vertraute keinen Halt mehr bietet, aber das Neue noch keinen Boden unter den Füßen hat.
Das fühlt sich nicht unbedingt „frei“ an. Es kann sich verwirrend anfühlen, wackelig, irritierend. Denn wir Menschen lieben Klarheit, Orientierung, Pläne.
Genau diese fehlen in Übergangsphasen.
Und genau darin liegt die Kraft dieser Momente:
Sie fordern keine sofortige Lösung – sondern eine neue Form von Präsenz.
Der Raum dazwischen: keine Schwäche, sondern Tiefe
Ganz ehrlich – am liebsten würden wir derartig Übergänge einfach überspringen.
- “Was ist dein nächstes Ziel?”
- “Und – was machst du jetzt?”
- “Na dann fang halt einfach an!”
Doch der Raum zwischen „nicht mehr“ und „noch nicht“ ist ein heiliger. Hier zeigt sich, was du nicht mehr mitnehmen willst. Hier lösen sich Bilder von dir, die vielleicht nie ganz deine waren. Hier entsteht etwas Neues – oft nicht laut, nicht greifbar, aber spürbar.
Dieser Raum verdient Zeit.
Und Aufmerksamkeit.
Und vielleicht sogar ein bisschen Demut.
Was uns oft hindert, weiterzugehen
Es ist nicht das Neue, das uns Angst macht. Es ist das Unbekannte. Das Schweigen, das entsteht, wenn wir aufhören, das Alte zu wiederholen – aber das Neue noch nicht formulieren können.
In dieser Stille melden sich oft:
- Zweifel (“Was, wenn ich mich irre?”)
- Schuldgefühle (“Es war doch alles gut…”)
- Kontrollbedürfnis (“Ich brauche jetzt einen Plan!”)
Doch manchmal entsteht Orientierung nicht durch Kontrolle – sondern durch Zutrauen in die eigene Wandlungsfähigkeit.
Wie du im Übergang bei dir bleiben kannst
Erlaube dir selbst:
- nicht alles gleich „richtig“ machen zu müssen
- nicht sofort wissen zu müssen, was kommt
- dich erst einmal nur dir selbst wieder zuzuwenden
Du darfst hinschauen, was sich meldet:
- Welche Gedanken kommen immer wieder?
- Welche Körperempfindungen machen sich bemerkbar?
- Wo fühlt sich etwas zu eng – und wo wird es weit?
Du darfst anerkennen, was du hinter dir lässt – auch wenn es nicht „schlimm“ war. Denn Würdigung ist oft das sanfteste Loslassen. Und du darfst lauschen. Nicht der vermeintlich schnellen Lösung – sondern auf dem, was sich langsam zeigt:
Ein neuer Gedanke.
Ein Bild.
Ein leises „Vielleicht…“.
Resilienz bedeutet nicht, alles zu wissen – sondern mit dem Nichtwissen zu leben
Was, wenn dieser Zustand nicht dein Problem ist – sondern dein Prozess?
Was, wenn du gerade mitten in einer inneren Metamorphose bist?
Nicht, weil du gescheitert bist – sondern weil du gewachsen bist?
Es gibt eine Form von Resilienz, die nicht kämpft – sondern vertraut. Die nicht beschleunigt – sondern vertieft. Die nicht sagt „jetzt oder nie“, sondern flüstert: „Wenn du soweit bist.“
Zum Mitnehmen – oder einfach nur zum Behalten
Wenn du gerade an dem Punkt stehst, an dem das Alte nicht mehr trägt – und das Neue noch keinen Namen hat: Dann darfst du wissen, dass du nicht allein bist.
Viele Menschen – gerade tiefgründige, kreative, reflektierte Menschen – kennen genau diese Zwischenzeit.
Sie ist kein Versagen. Sie ist auch kein Mangel oder Schwäche. Sie ist Teil eines Prozesses, der vielleicht leise verläuft – aber tiefe Spuren hinterlässt.
Zwischen dem „Nicht mehr“ und dem „Noch nicht“ liegt nicht Stillstand – sondern Gestaltungskraft.
Sie zeigt sich erst, wenn du ihr Raum gibst.